Es war ein ganz gewöhnlicher Montagabend und doch lag etwas Unausgesprochenes in der Luft.
Es war ein ganz gewöhnlicher Montagabend und doch lag etwas Unausgesprochenes in der Luft. Vielleicht war es die Entscheidung, mich auf etwas Neues einzulassen – auf eine Erfahrung, von der ich nicht wusste, wohin sie mich führen würde. Ich hatte mich für Carolinas Heilkreis angemeldet, neugierig, ein wenig aufgeregt, aber mit einem offenen Herzen.
Es sollte meine erste bewusste Teilnahme an einem solchen energetischen Feld sein, in dem Menschen zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten innehalten, um einer unbekannten Person Energie zu schenken – einfach so, ohne Gegenleistung, ohne Namen, ohne Geschichte.
Als die Uhr sich langsam auf 20 Uhr zubewegte, richtete ich mir einen geschützten Raum in meinem Zuhause ein, der mir für diese halbe Stunde als Rückzugsort dienen sollte. Ich informierte meine Familie, dass ich in dieser Zeit nicht gestört werden wollte , einfach weil ich innerlich Raum schaffen wollte, um präsent sein zu können. Mit einer kleinen Kerze und einem weichen Kissen auf dem Boden setzte ich mich in die Stille. Die Welt draußen trat langsam in den Hintergrund, während ich meine Aufmerksamkeit nach innen lenkte.
Ich begann, wie Carolina es in ihrer liebevoll gestalteten Anleitung vorgeschlagen hatte, einige Male tief durch die Nase einzuatmen und durch den Mund wieder auszuatmen. Anfangs wirkte die Atemübung noch ein wenig mechanisch, fast angestrengt, doch mit jedem weiteren Atemzug löste sich etwas in mir. Die Gedanken, die bis eben noch wie lose Vögel durch mein Bewusstsein flatterten, wurden ruhiger, leiser, ordneten sich allmählich. Und mit dieser inneren Stille wuchs die Bereitschaft, mich auf das einzulassen, was nun folgen sollte.
Ich stellte mir vor, wie ein Lichtstrahl aus der Weite des Universums sanft auf mich herabsank – nicht grell oder fordernd, sondern warm, durchlässig und kraftvoll zugleich. Dieses Licht, so sagte Carolina, solle mich umhüllen, durchströmen und in Verbindung mit einer höheren, liebevollen Intelligenz bringen – nicht als Idee, sondern als fühlbare Präsenz. Zunächst war es nur ein Bild in meinem Kopf, fast ein wenig künstlich, doch je länger ich mich darauf einließ, desto realer wurde das Empfinden. Es war, als würde sich in mir ein innerer Raum öffnen – weit, ruhig, lichtdurchflutet.
Dann stellte ich mir die beschenkte Person vor – jemand, den ich nicht kannte, dessen Geschichte mir verborgen blieb, dessen Gesicht ich nie gesehen hatte. Und doch entstand in meinem Inneren ein Bild, sanft und unaufdringlich, beinahe wie eine Erinnerung aus einem längst vergangenen Traum. Ich sah eine Frau, vielleicht in meinem Alter, mit ruhigen Augen und einer offenen Ausstrahlung. Ob sie in Wahrheit ganz anders aussah, spielte keine Rolle. Es ging nicht um äußere Übereinstimmung, sondern um die Verbindung, die durch die Absicht entstand.
Auch sie stellte ich in einen Lichtstrahl – einen ebenso warmen, durchlichteten Raum, der sie umgab, berührte und mit etwas Größerem verband. Ich ließ beide Bilder nebeneinander stehen: mich selbst und die Beschenkte, jede in ihrem eigenen Licht, doch verbunden durch etwas, das größer war als Worte. Und während ich in dieser Vorstellung verweilte, geschah etwas Unerwartetes – keine plötzliche Eingebung, keine Vision, sondern eine subtile, tiefgehende Wandlung in meinem Inneren.
Ich spürte, wie mein Körper sich entspannte, wie mein Atem ruhiger wurde, wie mein Geist nach und nach zur Ruhe kam. Es war kein schlagartiger Wechsel, eher ein langsames Hineinsinken in eine Tiefe, die ich so lange nicht mehr gespürt hatte. Eine Weite breitete sich in mir aus, ein Gefühl von Verbundensein, von Präsenz, von etwas, das gleichzeitig ganz still und kraftvoll war. Ich verlor das Gefühl für Zeit, ließ mich einfach tragen von dieser lichtvollen, wortlosen Verbindung.
Als mein Wecker leise klingelte (ich hatte ihn mir vorsichtshalber gestellt), war ich fast überrascht, wie schnell diese dreißig Minuten vergangen waren. Doch Carolina hatte in ihrer Anleitung noch einen letzten, ganz wesentlichen Schritt erwähnt: Nach dem energetischen Geben solle man sich erneut selbst ins Licht stellen, um sich wieder zu sammeln, bei sich anzukommen, bewusst zu spüren, wo man gerade ist. Also rief ich in meiner Vorstellung den Lichtstrahl erneut auf, ließ ihn auf mich herabsinken, fühlte, wie er mich umhüllte, wie ich alles, was noch bei der anderen Person war, achtsam zurückließ und mich selbst wieder ganz in den Mittelpunkt stellte. Es war wie ein inneres Heimkommen, ein bewusster Schritt zurück zu mir, getragen von Klarheit und Frieden.
Als ich schließlich die Augen öffnete, war ich nicht mehr dieselbe wie zuvor. Ich fühlte mich geerdet, still, innerlich weit und zugleich sehr bei mir. Da war keine Aufregung mehr, kein Zögern, keine Unsicherheit. Nur ein tiefes Gefühl von Richtigkeit und eine stille Dankbarkeit dafür, dass ich diesen Raum betreten hatte, der so viel mehr war als nur eine halbe Stunde stilles Sitzen.
Ich kann nicht erklären, was genau geschehen ist. Und vielleicht muss ich das auch gar nicht. Was ich aber sagen kann, ist: Ich habe gegeben und dabei etwas empfangen, das sich nicht messen lässt, aber in mir weiterklingt. Vielleicht ist das das Geheimnis dieses Heilkreises: dass wir, indem wir jemand anderem Licht schenken, uns selbst ein Stück näherkommen.